Amerikanische Leihmutter streitet um Wunschbabys



Ein Rechtsstreit in Kalifornien zeigt die Problematik von Leihmutterschaft und ihren Folgen auf – zur Diskussion steht ein Abtreibungswunsch - derstandard.at/2000031966014/Leihmutter-streitet-um-Wunschbabys

Melissa Cook (47) hat Drillinge in ihrem schon recht stattlichen Bauch. Voraussichtlich im März sollen die Buben in Kalifornien geboren werden. Was danach passiert, ist offen. Denn zwischen Cook, die als Leihmutter die Babys austrägt, und ihrem Vertragspartner, einem 50-jährigen Postangestellten aus Georgia, ist ein komplizierter Rechtsstreit um mindestens eines der ungeborenen Kinder entbrannt. Der Vater verlangte die Abtreibung eines Babys, die Leihmutter weigerte sich. In Sachen Reproduktionsmedizin und Leihmutterschaft, die auch für die wachsende Zahl gleichgeschlechtlicher Paare mit Kinderwunsch eine wichtige Option sind, gibt es in den USA noch einige offene Fragen. Dazu gehören: Kann man eine Leihmutter zur Abtreibung eines Kindes zwingen? Sollten Hochrisiko-Schwangerschaften mit Mehrlingen bewusst herbeigeführt werden? Und wer trägt die – finanzielle – Verantwortung, wenn alles nicht so läuft wie geplant? Family Balancing Fertilitätszentren sind in Amerika ein lukrativer Markt. Das Angebot zur Erfüllung eines Kinderwunschs reicht noch weiter als in Europa und umfasst zunehmend auch die Frage: Sohn oder Tochter? Der Reproduktionsmediziner Jeffrey Steinberg, mit seinen "Fertility Institutes" in Los Angeles einer der Top-Player auf dem Feld, spricht hierbei vom "Family Balancing". Auch die Möglichkeit, Augen- oder Haarfarbe durch genetisches Screening der Embryonen im Voraus zu bestimmen, möchte er anbieten, sobald dies technisch möglich ist. Anders als in den meisten Ländern Europas ist in den USA auch Leihmutterschaft möglich: Nur vier Bundesstaaten und D.C. verbieten es definitiv, in acht – darunter Kalifornien – ist es relativ freizügig erlaubt, alle anderen gestatten kommerzielle Leihmutterschaft unter bestimmten Auflagen oder haben gar keine Gesetze, die dies regeln. Auch Melissa Cook, selbst vierfache Mutter, ist eine solche Leihmutter – bereits zum zweiten Mal entscheidet sie sich 2015 zu dem Schritt. Aus Menschenliebe und weil sie Geld braucht, wie ihr Anwalt Harold Cassidy sagt. Lukratives Geschäft Trotz ihres Alters findet Cook eine Agentur, die sie recht unkompliziert an den alleinstehenden 50-Jährigen vermittelt. Der wünscht sich sehnlichst männlichen Nachwuchs, spendet Samen, bezahlt eine Eizellen-Spenderin und schließt mit Cook einen Vertrag: 33.000 Dollar (29.983,65 Euro) soll sie für die erfolgreiche Schwangerschaft und Entbindung eines Kindes bekommen, 6.000 weitere Dollar (5.451,57 Euro), falls es mehrere Kinder sein sollten. Mediziner Steinberg pflanzt Melissa Cook daraufhin drei vorsortierte, männliche Embryonen ein. Und dies, obwohl die Eizellenspenderin noch jung und ein erfolgreiches Einnisten aller Embryonen damit durchaus wahrscheinlich ist. Tatsächlich entwickeln sich nun drei Babys. Dem werdenden Vater ist das zu viel. Er sorgt sich, laut seinem Anwalt Robert Walmsley, nicht nur wegen des höheren Risikos für seine Kinder, das durch eine Drillingsschwangerschaft entsteht. Auch das Geld wird knapp, sein Erspartes schmilzt durch höhere Arztkosten nur so dahin. Reine Kostenfrage Leihmutter Cook muss bald wegen Schwangerschaftsdiabetes kürzertreten und erfährt, dass ihre Krankenkasse die Ausgaben für Komplikationen einer Leihmutterschaft-Schwangerschaft gar nicht abdeckt. Der überforderte Vater fordert Cook auf, eines der drei Babys abzutreiben – zu "reduzieren", wie die in der Reproduktionsmedizin nicht unübliche Praxis genannt wird. Sie aber weigert sich. "Alle Babys sind gesund und ich bin für das Leben", sagt Cook laut "Washington Post". Sie macht das Angebot, das "überzählige" Baby nach der Entbindung selbst großzuziehen. Aber das lehnt der Vater ebenso ab wie eine Freigabe zur Adoption. Stattdessen entscheidet er sich schließlich, doch alle drei Kinder aufzuziehen – aber nun mag Cook nicht mehr. Sie sucht die Hilfe von Anwalt Cassidy, einem konservativen Abtreibungs- und auch Adoptionsgegner. Der soll nun für sie vor dem Supreme Court in Los Angeles erstreiten, dass Cook die legale Mutter der Drillinge ist – zwar nicht biologisch, aber allein durch die Tatsache, dass sie mit ihnen schwanger ist. Die Mutter-Kind-Beziehung sei eine besondere, die Frau sei keinesfalls nur ein "brütendes Tier", betont Cassidy. Die Aussichten auf einen Erfolg der Klage sind allerdings gering. Auslöser für Debatten Der Streit um das Schicksal von Leihmutter-Babys ist nicht der erste dieser Art in den USA. Für viele wirft er ein Schlaglicht auf rechtliche Grauzonen, mangelnden finanziellen Schutz für Leihmütter und fehlende Überprüfungen bei den Auftraggebern. "Die Frage für mich ist, bis zu welchem Maß wir überhaupt Verträge nutzen sollten, um Befruchtung, Schwangerschaft, Entbindung und die Übertragung elterlicher Rechte zu regeln, vor allem im kommerziellen Umfeld", kommentiert Jus-Professorin Lisa Ikemoto (UC Davis School of Law) auf dem Portal "Slate". "Vielleicht gehen wir da ein bisschen zu weit." Der Medizinethiker Art Caplan (New York University) hält es für sinnvoll, Auftraggeber einer Leihmutterschaft ähnlich zu checken wie Adoptionsbewerber. "Es sollte einen Hausbesuch geben, um zu sehen, dass derjenige überhaupt ein Zuhause hat, keine Kinder missbraucht, über finanzielle Ressourcen verfügt, um ein Kind aufzuziehen." Er könne sich auch Situationen vorstellen, in denen ein Kind besser bei der Leihmutter aufgehoben sei. Anwalt Walmsley lehnt dies ab – das lade zu viel Verantwortung auf die Leihmütter ab: "Ich will nicht, dass Eltern in spe diese Kinder erst entstehen lassen und dann sagen können: 'Wir haben es uns anders überlegt.'" Auch Diane Hinson, Gründerin einer Firma, die Leihmütter vermittelt, hofft, dass Anwalt Cassidy mit der Klage nicht durchkommt: "Es gibt so viele Menschen, die ohne eine Leihmutter keine eigene Familie aufbauen können." - 

Quelle: derstandard.at/2000031966014/Leihmutter-streitet-um-Wunschbabys




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